Die Sternseherin Lise

 

Ich sehe oft um Mitternacht,
         Wenn ich mein Werk getan
Und niemand mehr im Hause wacht,
         Die Stern' am Himmel an.

 

Sie gehn da, hin und her zerstreut
         Als Lämmer auf der Flur;
In Rudeln auch, und aufgereih't
         Wie Perlen an der Schnur;

 

Und funkeln alle weit und breit,
         Und funkeln rein und schön;
Ich seh die große Herrlichkeit,
         Und kann mich satt nicht sehn ...

 

Dann saget, unterm Himmelszelt,
         Mein Herz mir in der Brust:
„Es gibt was Bessers in der Welt
         Als all ihr Schmerz und Lust.“

 

Ich werf mich auf mein Lager hin,
         Und liege lange wach,
Und suche es in meinem Sinn,
         Und sehne mich darnach.         

 

(1803, Sämtliche Werke VII. Teil)